Beitrag auf Unser Radio zur EM 2024 am 04. Juni 2024
Beitrag in der WitschaftsWoche zur EM 2024 am 13. Juni 2024
Fußballsticker-Sammler sind enttäuscht über das fehlerhafte Album zur UEFA-Europameisterschaft. Ein Streit um Bildrechte trübt die Freude an einer beliebten Tradition.
Auch Thomas Weinfurtner ist ein begeisterter Sammler. Doch in diesem Jahr geht der Frustanteil bei der Sache weit über die ewigen Dopplungen hinaus. Zuerst bemerkte Weinfurtner, dass die Spieler mehrerer Nationalmannschaften nur in Nahaufnahmen ihrer Gesichter abgebildet waren, das Trikot fehlte. Bei Einkleben der Bilder ins Sammelalbum folgte die nächste Ernüchterung: Auch einige bekannte Spieler fehlen. Manuel Neuer, Toni Kroos und Kylian Mbappé – sie alle sind nicht im offiziellen Stickerheft. Stattdessen blickt ihn Oliver Kahn an, als wäre es 2002. „Das Album ist eine reine Enttäuschung“, findet Weinfurtner.
Sammeln, Tauschen, Kleben: das verbinden Generationen von Fußballfans mit dem italienischen Hersteller Panini. Thomas Weinfurtner sammelt Panini-Sticker seit 40 Jahren. „Meine Mutter hat mir Tüten vom Einkaufen mitgebracht. Das war eine Riesenfreude“, erinnert er sich. „Ich habe sie sortiert, eingeklebt und die Doppelten mit Freunden getauscht.“ Weinfurtner hat eine eigene Webseite, auf denen er seine Sammlung katalogisiert hat. Doch die offiziellen UEFA-Klebebildchen zur EM in Deutschland kommen in diesem Jahr nicht von Panini, sondern von der amerikanischen Firma Topps. Und die Unstimmigkeiten, die Weinfurtner bei seiner Sammelei in diesem Jahr aufgefallen sind, sind die Folgen des eskalierenden Wettkampfs der beiden Unternehmen in einem überraschend komplexen Markt.
Das älteste Panini-Fußball-Album in Thomas Weinfurtners Sammlung ist von 1970. Es ist das erste Sticker-Sammelalbum zu einer Fußball-Weltmeisterschaft. Auf Weinfurtners Webseite findet man ebenfalls das erste Panini-Album zu einer Europameisterschaft im Jahre 1980. Alle zwei Jahre zu großen Turnieren gibt es seither ein Panini-Fußballalbum. Bis 2022 der amerikanische Konkurrent Topps einen Lizenzvertrag für die Herstellung der Sticker mit UEFA unterschrieb und so die 42-jährige Partnerschaft zwischen UEFA und Panini beendete
Topps-Sammelkarten gab es im Amerika der 30er-Jahre noch als gratis Zigarettenbeilage, später zum Kaugummi. Sie zeigten vor allem Baseballspieler und Western-Helden. 1989 eröffnete das Unternehmen einen Standort in England, drängte sich 1994 in den europäischen Fußballmarkt. Topps kaufte zunächst Lizenzen für die Premiere League in England. 2008 erhielt das amerikanische Unternehmen die Lizenzrechte der Deutschen Fußball Liga (DFL) und druckt von da an die Sticker zur Bundesliga.
So kam das kuriose Album zur UEFA zustande
Panini und Topps kommen sich auf dem europäischen Fußballmarkt seither in die Quere. Ohne Lizenzen für die Bilder können sie nämlich keine Sticker drucken. Topps hat Lizenzverträge mit der DFL und UEFA, Panini mit Fifa und dem Deutschen Fußball Bund (DFB).
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Das Problem: Nimmt die deutsche Nationalmannschaft an der Europameisterschaft teil, entsteht eine ganze Kette von Lizenzverträgen, die die UEFA einsammeln muss, um sie weiterzugeben. Die einzelnen Vereine übertragen die Bildrechte ihrer Nationalspieler an die DFL, die die Bildrechte wiederum an den DFB überträgt, der UEFA dann ein Verwertungsrecht gibt. Die UEFA schließt dann mit Topps einen eigenen Lizenzvertrag um die Spielerbilder für das Stickeralbum zu verwenden.
Topps kann das DFB-Trikot aber nicht drucken, weil es dafür keine Rechte hat. Die hat Panini. Allerdings fehlt auf den Topps-Stickern nicht nur das DFB-Trikot, es fehlen auch einzelne Spieler. Von Topps heißt es dazu: „Wir sind zwar enttäuscht, dass einige wenige Spieler fehlen, aber das ist darauf zurückzuführen, dass der frühere Sticker-Partner des Turniers bestimmte Teile der Kollektion zum Nachteil der Fans blockiert hat.“
Starspieler vermarkten sich lieber selbst
Severin Riemenschneider ist Anwalt für Urheber- und Medienrecht und erklärt es so: „Es kann natürlich sein, dass einzelne Spieler das Recht am eigenen Bild aushandeln, um sie selber zu verwerten.“ Spieler, die ihre eigenen Bildrechte verwalten, können mehr Geschäft machen. Die Lizenzkette ist dann um den jeweiligen Spieler erweitert.
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Auch Ronald Schäffer, der seit 25 Jahren bei Panini arbeitet, weiß: Die Lizenzierung ist komplexer geworden. „Früher waren Einzelspieler noch keine Marke, wie sie es heute sind.“ Das habe sich durch die sozialen Medien verstärkt.
Der DFB bleibt Panini treu
Panini hat im Mai ein Konkurrenzheft zum Topps-EM-Heft namens „Deutschland und die besten aus Europa 2024“ herausgebracht. Im Heft zu sehen: alle deutschen Nationalspieler mit DFB-Logo, ebenso die Mannschaften von Spanien, England, Italien und Frankreich. Mit welchen Nationalverbänden Panini Verträge hat, lässt sich also im Heft leicht ablesen.
Eine gewisse Loyalität der Vertragspartner scheint hier mitzuspielen. Fritz Frank, Leiter für Lizenzierung beim DFB sagt zum Panini-Europa-Heft: „Wir freuen uns sehr, mit unserem langjährigen Partner Panini, der zweifelsohne zur renommiertesten Adresse im Bereich Sticker und Trading Cards zählt, den Fans pünktlich zum Turnier im eigenen Land original lizenzierte und qualitativ hochwertige Produkte unserer deutschen Nationalmannschaft anbieten zu können.“ Panini-Sammler Thomas Weinfurtner hat dieses Album ebenfalls schon fast voll, er findet aber „einen richtigen Sinn ergibt das auch nicht.“
Sammelkarten und -sticker: immer noch ein hart umkämpfter Markt
Das Europa-Album muss nicht allein als Gegenschlag gegen Topps gesehen werden. Lizenzen laufen über mehrere Jahre und werden für hohe Millionenbeträge abgeschlossen. Sie sind für Firmen wie Panini und Topps eine Grundlage des Geschäftsmodells.
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Die Panini Verlags GmbH macht seit der Pandemie und der verschobenen EM 2020 weitaus weniger Umsatz auf dem deutschen Stickermarkt. „Der Bereich der Sticker ist stark geprägt von den im 2-Jahres-Rhythmus stattfindenden internationalen Großereignissen im Fußball,“ heißt es im Jahresabschlussbericht. Diesen Rhythmus hat die Corona-Pandemie durchbrochen. „Wir leben im Verkauf von dem Gemeinschaftserlebnis: gemeinschaftlich sammeln, im Biergarten, zur Tauschbörse gehen. Das konnte ja alles nicht stattfinden“, sagt Ronald Schäffer.
Panini musste in 2020 laut Geschäftsbericht in diesem Jahr Sticker vernichten, der Umsatzerlös für Sticker betrug nur ein Viertel des Erlöses bei der letzten Europameisterschaft 2016. Die beiden Großereignisse EM 2021 und WM 2022 blieben deutlich unter den Umsatzerwartungen.
Panini in Amerika
Wie die Fußballmannschaft abschneidet, welche politischen Ereignisse mit der EM oder WM verknüpft sind, beides beeinflusse den Verkauf der Klebebilder, für die Panini bekannt ist, so Schäffer. „Der Markt für die Sammelbilder ist relativ konstant und in Deutschland in den vergangenen Jahren für die Fußballgroßereignisse rückläufig“, sagt er. In Deutschland spiele oft die Politik mit rein. „Die Boykottaufrufe bei der WM in Katar trugen natürlich nicht dazu bei, dass die Leute unsere Bilder kaufen.“
Jetzt haben nicht nur die außerordentlichen Gegebenheiten den Zwei-Jahresrhythmus durchbrochen, der Konkurrent Topps verhindert auch, dass Panini ihn sich vorerst zurückholen kann. Doch nicht nur Topps zog es über den Atlantik: 2009 kaufte Panini das amerikanische Sammelkartenunternehmen Donruss und später Lizenzen der National Basketball Association (NBA) und der National Football League (NFL). Panini stellt nun auch Basketball- und Football-Sammelkarten her. Die Konkurrenz der beiden Hersteller hat sich nach Amerika ausgeweitet. „In der Summe haben die Sammelkarten einen bedeutenden Anteil am Gesamtumsatz von Panini“, sagt Ronald Schäffer.
Während Topps und Panini um die Lizenzen konkurrieren, könnten sich auch ein Markt für andere Hersteller aufmachen. Panini-Fan Weinfurtner sammelt mittlerweile auch andere Marken: „Das Highlight ist für mich dieses Jahr das Tschutti 24 Album.“ Für das Album wurden keine Fotos verwendet, sondern die Spieler in verschiedenen Kunststilen gemalt.
Artikel wurde erfasst und bereitgestellt von Lina Knees, Volontärin bei der WirtschaftsWoche